(20.09.12) Noch wenige Tage kann man sie auf Feldern bei Holzheim und bei Langgöns sehen: Streifen mit Getreide, die bei der Ernte stehen gelassen wurden.
Sie wurden nicht vergessen sondern die Halme verblieben mit voller Absicht dort, um dem stark bedrohten Feldhamster Deckung und Nahrung für die Überwinterung
zu bieten. Bei der jüngsten Veranstaltung des NABU Kreisverbandes Gießen wurde das seltene Tiere und die Schutzmaßnahmen für seinen Erhalt in
Holzheim vorgestellt.
Feldhamster dürfen nur mit Genehmigung in Menschenobhut gehalten werden.
Zunächst führte Martin Wenisch vom Kreisvorstand rund zwei Dutzend Interessierte durch die Feldmark bei Holzheim und erläuterte die "Hamstergerechte
Bewirtschaftung" für die die Landwirte vom Land Hessen und vom NABU Kreisverband einen finanziellen Ausgleich erhalten. Rund 3.500 Euro hat der Verein in diesem
Jahr zur Verfügung gestellt, um die Maßnahmen des Landes durch weitere Flächen zu ergänzen.
Anschließend kam man in der "Linde" zusammen, wo Manfred Sattler (Maintal) das hübsche Nagetier in einem Diavortrag näher vorstellte.
Der Feldhamster galt lange Jahre als Ernteschädling und wurde konsequent verfolgt. Dies gipfelte in den 1960er und 70er Jahren darin, dass allein in Sachsen−Anhalt
mehrere Millionen Felle abgeliefert wurden. Professionelle Hamsterfänger könnten damit sich und ihre Familie ernähren, denn auf die Nager war ein
"Kopfgeld" ausgesetzt. Reiner Holler ergänzte hierzu, dass in Holzheim zwischen 1964 und 1971 13.000 tote Feldhamster bei der Gemeinde abgegeben wurden.
Die Intensivierung der Landwirtschaft mit der Vergrößerung der Wirtschaftseinheiten und der Verbesserung der Maschinen brachte den Hamster an den Rand des
Aussterbens. Heute ist er nur noch in wenigen Gebieten verbreitet, so zum Beispiel im Rhein−Main−Gebiet und der Wetterau. "Nur dort sind Fördermaßnahmen
hilfreich. Der Feldhamster ist stark an die besten Böden gebunden, er bevorzugt tiefgründige Lößböden mit einem Steingehalt unter 12%",
erläuterte Sattler. Teilweise werden auch Ortslagen besiedelt, vor allem aus dem elterlichen Revier abwandernde Jungtiere legen auch in Gärten ihre Baue an.
"Umgehungsstraßen sind deshalb für die Hamster auch ein großes Problem, weil sie ihren Lebensraum zerschneiden und zur Isolation führen."
Hatten die Hamster früher regelmäßig acht bis zwölf Jungtiere pro Wurf, so seien es heute nur noch drei bis vier, was Sattler auf die Inzucht
zurückführt. Der fehlende Fortpflanzungserfolg schwäche die Population zusätzlich.
Der Feldhamster ist ein recht bunter Zeitgenosse. Mit seinem braunen Fell am Rücken tarnt er sich von oben, während der schwarz und weiß gemusterte
Bauch ein aufgerissenes Maul vortäuschen kann, um Feinde abzuschrecken. "Hamster nehmen ihre Umwelt vor allem über Geruch, Gehör und Tastsinn,
weniger über die Augen wahr", so der profunde Kenner.
Feldhamster legen unterirdische Baue an, die in verschiedene Räume gegliedert sind. Bis zu 300 kg Erdbewegung umfasse solch ein Bau, in den für den Winter u. a.
3−4 Kilogramm Getreidekörner eingelagert werden. Heute könne der Hamster nicht mehr als Schädling gelten, weil bei der geringen Siedlungsdichte der
Tiere deren Nahrungsbedarf für die Landwirte kaum spürbar sei. Vielmehr säßen beide − Landwirtschaft und Hamster − in einem Boot:
"Durch zunehmenden Flächenverbrauch für Baugebiete und neue Straßen werden den Landwirten Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und dem der
Lebensraum entzogen", sagte Sattler. Die Schutzmaßnahmen für die Hamster durch Verträge mit den Landwirten seien sinnvoll und die einzige Möglichkeit,
die Tiere zu schützen.
Hamsterschutz Bericht 2009
NABU finanziert wieder umfangreiche Hamster−Schutzmaßnahmen
Hamster sind eigentlich für jeden ein Begriff. Aber dass es auch wildlebende Hamster im Kreis Gießen gibt, ist nur wenigen bekannt. Noch geringer ist die
Anzahl derer, die mal einen davon sehen konnten. Die Rede ist hier nicht vom Goldhamster, sondern vom Feldhamster, der noch im südlichen Kreis Gießen zu
Hause ist. Damit das so bleibt, finanziert der NABU Kreisverband Gießen bereits im dritten Jahr Hamsterschutzmaßnahmen bis zu 5000 Euro.
Die Maßnahmen zeigen Erfolg, wie Hamsterexperte Martin Wenisch bestätigte. "Wir stützen die Hamstervorkommen in ihren Kerngebieten, und von dort scheinen
sie sich allmählich auch wieder auszubreiten." Der Langgönser ist ein profunder Kenner des bis zu 500 Gramm schweren Nagers, arbeitet in der Arbeitsgemeinschaft
Feldhamsterschutz und im NABU−Kreisvorstand mit. So ist die Herstellung der nötigen Kontakte zu den Landwirten kein Problem. "Unser Ziel ist es, Lebensräume zu
schützen. Traditionell bedingt ist der NABU zwar eher vogelkundlichen Themen verbunden, aber von unseren Projekten profitieren immer viele Arten", erläuterte er.
"Die Hamster−Streifen helfen nicht nur den bunten Nagern sondern auch vielen weiteren Arten wie zum Beispiel Rebhühnern, Wachteln und Feldhasen."
Wenisch vermutet, dass die Randlagen der großen Lößgebiete, wie hier die nördliche Wetterau im Kreis Gießen, bald zu den letzten
Lebensräumen der Feldhamster zählen könnten. "Im Rhein−Main−Gebiet, wo es derzeit noch recht gute Bestände gibt, herrscht ein starker Druck auf die
Flächen." Es würden laufend Bauland und Gewerbegebiete ausgewiesen, so dass den Feldhamstern weniger Fläche zum Leben und den Landwirten immer weniger
Ackerland für die Bewirtschaftung verbleibe. Hinzu komme ein enormer Freizeitdruck und die Störung der Hamster durch streunende Katzen und Hunde. In den so
gestressten Populationen erlange die Gefahr durch natürliche Feinde, wie Greifvögel und Füchse, dann eine zusätzliche Bedeutung. Ein enges
Straßennetz führe außerdem zu häufigerem Tod auf der Straße. Im Kreis Gießen sei die Lage zwar noch nicht so prekär wie im
südhessischen Raum − jedoch sei auch hier immer noch ein zu starker Flächenverbrauch zu beobachten.
Im Rahmen der vom NABU und dem Hessischen Umweltministerium geförderten hamsterfreundlichen Bewirtschaftung werden bei der Getreideernte zwei bis vier Meter breite
Streifen mit Feldfrüchten belassen, die erst nach dem 1. Oktober umgebrochen werden dürfen. Für die so genannten "Hamster−Mutterzellen" lassen die Landwirte
sogar rund 1200 Quadratmeter Getreide stehen, verständlicherweise gegen einen finanziellen Ausgleich. Kreisweit gibt das Ministerium jährlich rund 10.000 Euro
für den Schutz dieser seltenen Tierart aus. Der NABU stockt diese Mittel um 5000 Euro auf, die dann ebenfalls den Hamstern im Kreisgebiet zu Gute kommen. So hat der
größte Naturschutzverband in Gießen aktuell rund 25 Hektar bei vier Landwirten unter Vertrag. Auf den Feldern von fünf weiteren Landwirten zahlt das
Land Hessen die Anlage der Hamsterstreifen. Die Maßnahmen des NABU−Kreisverbandes befinden sich auf Ackerflächen bei Langgöns und bei Holzheim.
"Die Hamster nehmen die Fruchtstreifen nach der Ernte sofort an", erklärte Wenisch, der kürzlich mit Vorstandsmitglied Anja Ute Wölm die Maßnahmen
besichtigte. "Auf den Flächen mit eingearbeiteten Stoppeln haben sie keine Deckung vor Feinden und finden kaum Nahrung. So ziehen sie sich dann schnell in das stehende
Getreide zurück und legen dort neue Baue an um auch dort zu überwintern." Durch die oberflächige Stoppelbearbeitung selbst drohe den Hamstern kaum Gefahr,
da Bodenbearbeitungsgeräte wie der Grubber die Hamsterbaue nur verschütten. Hingegen werden Junghamster bei größerer Bearbeitungstiefe oftmals
ausgepflügt.
Feldhamster waren in Ackerbaugebieten, vorrangig mit tiefgründigen Lößböden, ehemals weit verbreitet und richteten − dort durch das Eintragen der
Körner − einen Ernteausfall für die Landbevölkerung an. Deshalb wurden die Tiere seither intensiv bekämpft. Die Baue wurden mit Wasser und Jauche
geflutet, die flüchtenden Hamster erschlagen. Noch bis in die 1970er zahlte man in einigen Kreisgemeinden Kopfgeld auf tote Feldhamster. Mit der Hamsterjagd verdienten
sich viele Kinder und Jugendliche ein Taschengeld. Heute sind die Hamster sehr selten geworden und stehen unter europaweitem Schutz. Die gründliche Ernte durch die
modernen Maschinen lässt kaum Getreidereste − und somit kaum Nahrung für die bunten Nager − zurück. Zudem werden die Felder häufig sofort nach der
Ernte bearbeitet, so dass den Hamstern keine Deckung mehr zur Verfügung steht und sie bei der Nahrungssuche und Wanderung leichter Feinden zum Opfer fallen.
Früher dauerte die Ernte mehrere Wochen. Heute ist nach 14 Tagen die Ernte eingebracht und die Felder sind kahl.
Es gibt auch Berichte, wonach die wehrhaften Hamster Mähdrescher angriffen und dabei überfahren wurden. Der Tod auf der Straße ist ebenfalls eine Ursache,
denn wenn die jungen Hamster sich neuen Lebensraum erobern, streifen sie oft weit umher.
"Das typische Hamstern dient der Einlagerung von Vorräten für den Winter", erläutert Wenisch das Verhalten. "Sie tragen dabei zwei bis vier Kilogramm
Getreidekörner − in Ausnahmen auch mehr − in eine Kammer ihres unterirdischen Baues. Sie schlafen den Winter nicht durch wie Igel, sondern wachen von Zeit zu Zeit
auf und benötigen dann Nahrung. Das ist vergleichbar mit den Eichhörnchen, die Nüsse als Wintervorrat sammeln, nur dass die Eichhörnchen keine
Backentaschen als Transporthilfe besitzen. Neben Getreide nehmen die Hamster übrigens auch andere vegetarische Kost sowie Insekten, Würmer und junge Feldmäuse
zu sich."
Der Bau eines Hamsters gleicht indes einer Mehrraumwohnung. Außer der Vorratskammer gibt es einen Wohnkessel, wo auch die jungen Hamster zur Welt kommen. Davon
abgesondert ist der Kotplatz. Schräg zur Oberfläche ansteigende Röhren dienen als Ausgang und zum Abtransport von Erdaushub. "Die senkrechten Fallröhren
können bis zu 80 cm tief reichen und dienen den Hamstern als schneller Fluchtweg von der Bodenoberfläche."
Im Winter graben sich die Tiere nicht selten bis zu 2 Meter tief ins Erdreich ein. Denn nur so ist eine sichere Überwinterung gewährleistet. "Deshalb sind die
tiefgründigen Böden auch so wichtig", bemerkt Wenisch. Im kommenden April oder Mai öffnen die Feldhamster hoffentlich dann ihre Baue und ein weiteres
"Hamsterjahr" mit Hamsterschutzmaßnahmen, gesponsert vom NABU Kreisverband Gießen kann erfolgen.
Hamsterschutz Plakette 2008
K.−H. Luh für Feldhamsterschutz ausgezeichnet
Langgöns. Seit 2005 erntet der Landwirt Karl−Heinz Luh auf einigen seiner Felder nicht jeden Getreidehalm: Bei der Ernte bleiben Streifen stehen,
um Nahrung und Rückzugräume für Feldhamster zu bieten. Für Luhs Teilnahme am Schutzprogramm überreichte Martin Wenisch von der
Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz dieser Tage eine Plakette und eine Infobroschüre.
Luh bewirtschaftet rund 85 Hektar Ackerland, wo auch schon vor dem Beginn des Projekts noch Hamster vorgekommen sein müssen. "Meine Bewirtschaftung
kann also nicht so ganz hamsterfeindlich gewesen sein", sagte Luh. Seit 2005 werden nun bei jeder Ernte Maßnahmen getroffen, die die Feldhamsterpopulation
stützen sollen. Für die nicht geernteten Früchte und den überschaubaren Mehraufwand bei der Bewirtschaftung erhält der Landwirt einen
finanziellen Ausgleich von der AG Feldhamsterschutz. Die Mittel stellt das Land Hessen zur Verfügung; Feldhamster stehen als bedrohte Art unter europaweitem
Schutz (Natura 2000−Richtlinie). Auch der NABU Kreisverband Gießen steuerte Gelder bei, um die restlichen Hamstervorkommen im Kreisgebiet zu schützen.
Im ersten Jahr wurden nur schmale Streifen Getreide stehen gelassen sowie breitere Streifen mit Stoppeln. Es zeigte sich aber, dass etwa zwei Meter breite
Getreidestreifen ohne weitere Stoppelflächen für die Hamster offenbar günstiger sind. Hierhin ziehen sich die bunten Nager zurück, legen ihre
Baue an und tragen Körner als Wintervorrat ein. Wenisch habe an die fünfzig Baue in den Hamsterstreifen auf Luhs Äckern feststellen können. Das spreche
für ein Vorkommen von zwanzig bis dreißig einzelnen Hamstern. "Hamster legen mehrere Baue an, insbesondere die Männchen nutzen wechselnd mehrere
als Unterschlupf", erklärte Wenisch. Jedoch sei über die genauen Abläufe in der Nutzung der Baue über die Jahreszeiten und die räumliche
Verteilung kaum etwas bekannt. Luh berichtete im Gespräch, dass es deutlich mehr Hamster gegeben habe, als die Feldgemarkung noch kleinparzellig strukturiert war
und es auch noch mehr Feldfutterbau gegeben habe. "In diesen mehrjährigen Kulturen von Klee oder Luzerne konnten die Hamster auch auf flachgründigen
Standorten Baue anlegen, da ja keine Bodenbearbeitung stattfand. Heute sind sie nur noch in Gebieten mit tiefgründigen Lößböden." Dort
könnten die Hamster tief genug graben, damit die Schlafhöhlen nicht vom Pflug zerstört würden.
Pressemitteilung 2007
NABU für Natur auf dem Acker
Kreisverband unterstützt Feldhamsterschutz mit 5000 Euro
Kreis Gießen. In viele verschiedene Naturschutzprojekte hat der NABU−Kreisverband Gießen schon Gelder investiert − so beispielsweise in eine
Streuobstwiesenkartierung, die Ausrüstung von Kranichen mit Sendern für die Vogelzugforschung oder den Kauf eines Steinbruches. Das jüngste Projekt
nahmen die Vorstandsmitglieder nun bei Langgöns in Augenschein: Der NABU unterstützte die AG Feldhamsterschutz mit knapp 5000 Euro.
Hauptsächlich in der Langgönser Gemarkung, aber auch in Holzheim und Steinbach wurden nach Koordination durch Martin Wenisch Maßnahmen für die
Erhaltung der Feldhamstervorkommen umgesetzt. Dabei lassen die Landwirte gegen einen finanziellen Ausgleich in Bearbeitungsrichtung einen Streifen Getreide pro Hektar
bis Anfang Oktober stehen. Zusätzlich können auch die Getreide stoppeln noch auf dem Feld verbleiben. Die Feldhamster ziehen sich nach der Ernte in diese
Bereiche zurück, denn dort finden sie Schutz und Nahrung, die sie auch für den Winter "hamstern" können. Etwa ein bis eineinhalb Kilo Getreide
lagern die Hamster als Wintervorrat laut Wenisch ein. Er bezeichnete die umgesetzten Maßnahmen als sehr erfolgreich, denn bei einer Besichtigung konnten
zahlreiche Hamsterbaue mit Erdauswurf festgestellt werden.
Wenisch, profunder Kenner des bis zu 500 Gramm schweren Nagers, arbeitet in der Arbeitsgemeinschaft Feldhamsterschutz und im NABU−Kreisvorstand mit. So waren
die nötigen Kontakte schnell hergestellt und der Vorstand sprach sich im vergangenen Winter für die Projektidee zum Feldhamster aus. Durch die Finanzierung des
NABU konnte die hamsterfreundlich bewirtschaftete Fläche im Südwestkreis nun − neben den durch das Amt für ländlichen Raum Wetzlar bezahlten
Maßnahmen − verdoppelt werden. "Unser Ziel ist es, die Lebensräume zu schützen. Traditionell bedingt ist der NABU zwar eher vogelkundlichen
Themen verbunden, aber von unseren Projekten profitieren immer viele Arten", erläuterte Pressesprecher Tim Mattern. "Von den Hamster−Streifen
profitieren nicht nur die hübschen Nager sondern auch viele weitere Arten wie Rebhühner und die ebenfalls seltener werdenden Feldsperlinge."