Die Vogelwelt des Kreises Gießen − historischer Rückblick und aktueller Bestand −
eine Avifauna des Landkreises
Soeben ist erstmalig eine Avifauna des Kreises Gießen erschienen, herausgegeben durch den NABU-Kreisverband Gießen,
der die "Vogelkundlichen Jahresberichte des Kreises Gießen" nun seit 30 Jahren erstellt. Dieses Jubiläum war Anlass,
die in diesen drei Jahrzehnten gesammelten Beobachtungsdaten über die heimische Vogelwelt einer synoptischen Auswertung zu
unterziehen und in einer Gesamtübersicht darzustellen. Die Idee zu einem solchen Vorhaben ist im Verlauf der Arbeiten an den
jährlichen Berichten gewachsen. Es interessierte insbesondere, je länger die Datenreihen in den letzten Jahrzehnten wurden,
einen Überblick über die Entwicklung der Arten über die Zeit zu bekommen und dieses in Beziehung zu setzen zu den
Kenntnissen von der Vogelwelt in früheren Zeiten, um entsprechende Entwicklungen aufzuzeigen. Außerdem fragt man sich
nach mehreren Jahrzehnten der Vogelbeobachtung, wie häufig eigentlich die eine oder andere Art hierzulande bisher vorkam.
Da der Rückgang vieler Vogelarten − auch solchen "vor unserer Haustür" aus unterschiedlichen Gründen dramatisch
fortschreitet, schien der Zeitpunkt für ein solches Vorhaben unaufschiebbar. Dieses ist nicht zuletzt deshalb so dringend,
um aus den so gewonnenen Erkenntnissen, notwendige und dringende Schutzmaßnahmen fundiert zu begründen.
Die Zusammenstellung soll das Vorkommen der Vogelarten im Kreis Gießen und einigen Randgebieten aus aktuellen und historischen
Literaturquellen darstellen und damit alle vorhandenen Vogeldaten aus dem Kreis Gießen zusammen zu fassen und aufbereiten.
Hiermit gibt es erstmals eine Bündelung der bekannten Meldungen der Vogelwelt im Kreis Gießen und seiner Randbereiche in Lahn−
und Horloff− und Wetteraue unter Berücksichtigung der historischen Quellen. Und es gibt auch erstmals für den Landkreis eine
umfassende Übersicht über einen längeren Zeitraum vom Auftreten auch von häufigen Arten und von einzelnen
Vogelgruppen (z.B. Limikolen, Seeschwalben, Möwen), zu denen es bis auf einige Seltenheiten, bisher noch keine zeitliche Übersicht
gab. Die Datenlage bei den Waldarten sowie bei einigen Teilregionen des Bearbeitungsgebietes weist allerdings noch deutliche Meldelücken
auf. Allerdings liegen punktuelle Erfassungen auch für den Wald vor, die in ihrer Summe schon eine Auswertung ermöglichen.
Auch zeigt die Datenlage für einige Regionen deutliche Meldelücken. Trotz dieser Erfaßungslücken ist die Kenntnis
über die Vogelwelt ungleich besser, als über andere Tierarten und die Datenlage im Kreis Gießen kann als vergleichsweise
sehr gut bezeichnet werden. Dieses gründet sich nicht zuletzt auf einen recht hohen Bestand an systematisch erhobenen Daten auch zu
häufigeren Vogelarten.
Wo es die Datenlage hergibt, erfolgen Aufbereitungen von 2019 bis 1986 und teilweise sogar von 2019 bis 1979 zurück, demnach
dann für 40 Jahre. Einige wenige herausragende Daten sind von 2020 und 2021 ergänzt worden. Es werden alle gefundenen Angaben
zum Auftreten der Arten zitiert. Zusätzlich erfolgen weitere Zitate zum Auftreten der Art in Hessen, sofern sie zum Vorkommen
oder der früheren, damals ggf. etwas anderen, Biologie der Arten Interessantes mitteilen. Dieses wurde insbesondere dann
praktiziert, wenn in den Schriften nichts über die behandelte Art mit Bezug zum Kreisgebiet zu finden war.
Seit 1979 liegen systematisch aufbereitete kreisbezogene Beobachtungen von fast allen hier vorkommenden Vogelarten vor. Mit dem Beginn
der auf den Kreis fokussierten Veröffentlichungen durch den DBV-Kreisverband ab 1979 (herausgegeben von Hans−Erich Wissner),
wurden Daten einer ansteigenden Zahl von Beobachtern ausgewertet. Damit verbesserte sich die Datenlage grundlegend. Waren es 1979 noch
17 Ortsgruppen bzw. Ortsbeauftragte für Vogelschutz, die ihre Daten zu Verfügung stellten, so stieg diese Zahl bis 1982 auf 56
Melder an. In der Zeit der Vogelkundlichen Jahresberichte wuchs deren Anzahl auf 110 im Jahr 1996. Eine fulminante Entwicklung der
vorliegenden Datenmengen folgte dann ab Ende des ersten Jahrzehnts der 2000er Jahre, als zunächst das Beobachtungsportal Naturgucker
und dann Ornitho im Internet an den Start gingen. 2019 waren es genau 200 Melder, von denen über 54.000 Datensätze vorlagen.
Dabei sind sehr viele dieser Beobachter gar nicht im Kreisgebiet ansässig. Die heutige Mobilität macht es möglich,
daß man in kurzer Zeit an mehreren Orten beobachten kann, während es früher eine Tagesreise war, auch nur zu einem der
"Hotspots" zu gelangen. Das macht eine Vergleichbarkeit der heutigen Datenlage mit der früheren in der Dimension, dass Arten
oder Seltenheiten zugenommen hätten, unmöglich. Allerdings sind Umkehrschlüsse bzgl. Abnahmen sehr wohl möglich,
wenn die damals unter 10 Beobachter zu dieser Zeit noch Arten oder/und Häufigkeiten feststellten, die heute nicht annähernd mehr
erreicht werden.
Es folgt eine Wertung der vorkommenden Vogelarten nach Häufigkeit und nach Entwicklungstendenzen. Dabei ist mit langfristigen bzw.
historischen Entwicklungen der Zeitraum seit 1850 gemeint (so weit blicken die vorliegenden historischen Quellen längstens zurück)
und mit mittelfristigen Entwicklungen der Zeitraum seit 1979 (Beginn detaillierterer Veröffentlichungen von Beobachtungen.
Insgesamt gibt die vorliegende Literatur Hinweise auf 309 Arten, die bisher im Kreis Gießen nachgewiesen wurden. Es wären 314,
wenn alle bekannten Beobachtungen auch dokumentiert bzw. anerkannt worden wären. Hinzu kommen noch 33 Arten als GF und 18 Typen von
Hybriden. Von den 309 Arten sind inzwischen 24 Arten als Brutvogel im Kreis ausgestorben, davon 8 Arten in den letzten 40 Jahren seit 1979.
4 Arten stehen kurz davor auszusterben, 18 Arten brüten seit 1979 (wieder) im Kreisgebiet. Es handelt sich um 8 Arten, die neu und
regelmäßig brüten (davon sind die 2 Arten Kanadagans und Nilgans Neozoen). 11 Arten haben nur eine oder wenige Bruten bisher
getätigt. Des Weiteren gibt es 6 Arten, die nach zwischenzeitlichem Aussterben wieder als regelmäßige Brutvögel
vertreten sind. Diese sind zuvor, außer dem Weißstorch, sämtlich durch direkte menschliche Verfolgung ausgerottet gewesen.
33 Arten und 2 Unterarten sind bisher erst einmal oder zweimal und 32 Arten und eine Unterart 3-10 mal nachgewiesen worden. 3 Arten sind
im 20.Jh. eingewandert und inzwischen schon nicht mehr nachweisbar oder nur noch sporadisch. Hervorzuheben ist außer dem deutlichen
überwiegen von langfristig negativen Trends gegenüber den positiven, daß viele Arten, besonders auch eher häufige,
seit etwa 2010 deutliche, teils sogar dramatische Bestandseinbußen zu verzeichnen haben.
Die Avifauna ist nur in Papierform für 10 Euro plus Porto zu bestellen bei: Lioba Krämer, Mittelgasse 1, 35457 Lollar,
Tel.: 06406/77045 , lioba.kraemer@t-online.de